Birgit habe ich kennengelernt bei unserer gemeinsamen Ausbildung zum Wander- und Naturreiseleiter. Ich durfte Birgit spontan begleiten im September, auf einer Zelt-Trekking-Tour in Nordschweden. Wir waren mehrere Tage unterwegs im „schwedischen Outback“ auf dem Kungsleden Nord. Wow, war das ein Erlebnis! Wir Beide da draußen allein, eine echte Herausforderung für mich. Birgit ist da ein alter Hase, in Sachen Camp-Erfahrung.

Hauptberuflich ist Birgit tätig für einen großen Konzern mit Hauptsitz in Hessen und führt als Projektleiterin ERP Systeme ein. Ihre große Leidenschaft ist es, einfach im Wald zu sein. Allein!

Wenn ich unsere Freundschaft in zwei Begriffen ausdrücken sollte, dann fällt mir ein: Gegenseitige Inspiration und Neugier auf das Leben. Auf der einen Seite Birgits Liebe für den Wald, auf der anderen Seite meine Leidenschaft für die Berge. Das macht die Dinge rund.. und, ich habe keine Angst vor Spinnen! 😛  (Hierzu mehr im Interview.)

An Birgit schätze ich besonders ihren herzlichen und motivierenden Umgang mit Menschen. Insbesondere schwierige Themen packt sie konstruktiv und wertschätzend an.

Dazu kann ich nur sagen:  #EchtMutig

 

 

Liebe Birgit,

Wenn du mit mir Bergwandern (oder Klettersteig) gehen würdest – was würdest du in das Gipfelbuch schreiben?

Mein Eintrag in das Gipfelbuch wäre: „Ich war auch hier! Birgit“

Noch wichtiger als der Eintrag ins Gipfelbuch ist was ich fühle und denke, in diesem Augenblick, wenn ich den Berggipfel erreiche:

Mein inneres Auge sieht mich ganz dort oben auf dem Berg stehen und in die Ferne blicken. Der Himmel ist blau und die Sonne scheint. Um mich herum sehe ich die schneebedeckten Gipfel der Berge, diese urgewaltige Fels- und Schneelandschaft und meine Seele hebt sich. Es ist einfach atemberaubend! Ich bin ganz klein und verloren in dieser erhabenen Landschaft, es ist fast schon surreal.

Stolz wie ein Brezelbub bin ich, dass ich das geschafft habe. Es war ja auch brutal anstrengend. Vor dem Aufstieg hatte ich Bammel, denn meine Kondition ist die Senkrechte nicht wirklich gewohnt und da geht mir schon mal die Puste aus. Meine Kletterei befähigt mich nun auch nicht gerade dazu, Sherpa im Himalaya zu werden. Und trotzdem.., ich hab’s gewagt und ich habe es geschafft und da bin ich jetzt. Jipppeeee…. \o/

 

Du stehst mit beiden Beinen mitten im Leben und in deinen Job als Projektleiterin. Für mich bist du ganz klar #EchtMutig. Welche deiner Qualitäten aus dem Beruf helfen Dir auch draußen in der Natur?

Also erstmal herzlichen Dank für die Blumen, aber so mutig komme ich mir selbst gar nicht vor. Wenn Du wüstest.. 😀 

Spontan würde ich zwei Dinge nennen:

1.  Der Blick auf’s Ganze
2.  Motivation

Mit dem Blick auf’s Ganze fächert sich gleichzeitig die Vielfältigkeit auf. Damit meine ich all die Themenbereichen in denen man Erfahrung braucht. Ich nehme als Beispiel einfach mal das Draußen-Campen in der Natur. Hier brauchts Erfahrung zu Camping-Equipment, Holz sammeln und zerkleinern, Feuer machen, Erste-Hilfe-Maßnahmen, dann Grundkenntnisse über Pflanzen, Tiere, und Vogelsprache sowie auch zu philosophischen Fragestellungen. Und wenn man obendrein noch motiviert ist sich mit diesen Anforderungen zu befassen, dann erschließt sich einem mit der Zeit ein immer größeres Universum.

 

Und weil wir schon dabei sind – Du verbringst ja oft Tage alleine draußen im Wald? Hast Du da keine Angst? Wie gehst Du damit um?

Nein, ich habe keine Angst im Wald zu sein. Wald ist der Ort meiner Kindheit, in dem ich aufgewachsen bin. Der Wald tut gut! Er ist ein einziger Abenteuerspielplatz und zugleich Ort der Erholung, Entschleunigung und des Seelenfriedens. Wenn man in ihn eintaucht und nicht nur durch ihn hindurchrennt, nimmt Wald uns völlig aus dem Alltag und lenkt unsere Sinne ganz woanders hin. Hektik, Zeitdruck und Verpflichtungen muss man natürlich ganz bewusst zu Hause lassen.

Den bösen Mann gibt es nicht, der hinter der Hecke lauert um uns umzubringen. Es gibt auch keine Ungeheuer, die kommen um uns zu fressen. In der Nacht ist es einfach nur dunkel, so wie es am Tag einfach nur hell ist. Ja, und dann gibt es diese stereotypischen Klischees, denn Männer können sowas machen, im Wald sein und dort übernachten. Kein Problem. Aber Frauen? Nein, das geht gar nicht. Wir Frauen haben uns zu fürchten!

Wenn’s ums Übernachten geht, kann man mit einer einfachen Maßnahme für Sicherheit sorgen. Ich baue mein Camp niemals direkt an Wanderwegen auf oder an Wegen, die mit dem Auto befahrbar sind. Ich suche mir immer einen Übernachtungsplatz, den man vom Weg aus nicht direkt einsehen kann. Bisher bin ich damit immer gut gefahren.

Schade finde ich jedoch, dass das Übernachten im Wald in Deutschland so eine rechtliche Grauzone ist, irgendwo zwischen legal und illegal. Solange es kein Naturschutzgebiet ist darf man im Wald schlafen, aber nicht zelten. Hängematte ist irgendwo dazwischen. Da habe ich dann schon manchmal das Gefühl, ich darf mich nicht erwischen lassen..

 

Bist du schon mal in eine Situation gekommen, wo es ziemlich brenzlig wurde? Etwas, wo du an deine Grenzen gestoßen bist und du dir dachtest: Das passiert mir nie mehr wieder? Wie bist du damit umgangen? Was hat diese Situation bei dir bewirkt?

Ja, so etwas habe ich gleich zweimal erlebt auf derselben Tour. Zwei Überforderungssituationen aber nicht im Sinne von bedrohlich oder gefährlich.

Es war bei meiner ersten und einzigen Hochtour, mit einer Gruppe und Bergführer auf den Großvenediger. Zuerst ging mir beim Aufstieg ziemlich schnell die Puste aus. Alle anderen hatten mit der Höhenluft kein Problem, aber ich. Ich musste regelmäßig stehenbleiben um wieder Atem zu fassen. Das ist ein schlimmes Gefühl, wenn man die ganze Seilschaft ausbremst und erkennen muss, dass man sich völlig falsch eingeschätzt hat. Ich wollte an einem sicheren Ort, unterwegs auf die Gruppe warten, aber der Bergführer hat das nicht erlaubt. Da musste ich durch. Und Gleiches ist mir widerfahren beim Talabstieg, von der Hütte aus. Die anderen sind den Weg hinuntergerannt als sei es ein Kinderspiel und ich musste mich mühsam von Stein zu Stein kämpfen. Diesmal war es aber keine Seilschaft und schließlich war ich auf weiter Flur alleine unterwegs und bin erst wieder im Tal zur Gruppe gestoßen. Auch das hat sich wirklich, im wahrsten Sinne des Wortes, Sch…. angefühlt.

Das hat bei mir bewirkt, dass ich nie wieder eine Hochtour mitgemacht habe, obwohl es mir eigentlich Spaß gemacht hat. Es hätte alles einfach nur langsamer sein müssen. Gibt es so eine Tour für Anfänger-Oldies? 🙂 

 

Thema: Großes Vorhaben im Leben und bei dir speziell, deine geplante mehrmonatige Auszeit in zwei Jahren um auf dem Appalachian Trail (kurz AT), zu wandern. Oft kommt ja der große Flattermann vor der eigenen Entscheidung. Kannst du mir 3 Dinge nennen, die dich daran erinnern, dich trotzdem auf das Abenteuer zu freuen?

1. Der Weg ist das Ziel. Selbst wenn es mir nicht gelingt, ich habe es wenigstens versucht und nicht nur davon geträumt.

2. Wenn ich am Ziel ankomme, habe ich die größte Herausforderung in meinem Leben geschafft. Das wird ein Wahnsinns-Gefühl sein, nach so einem hohen körperlichen und mentalen Einsatz. Mein Selbstvertrauen wird davon sehr profitieren und das wird einen nachhaltigen, positiven Einfluss auf mein Leben haben.

3. Die Erfahrungen, die ich dabei gewinne, kann mir niemand mehr nehmen. Das wird vielleicht meine Eintrittskarte in die professionelle Outdoor-Welt. Wer weiß, was da noch alles passieren kann?

 

Man hört ja sehr oft in Bezug auf Angst und Unsicherheit: Geeeh, zier dich nicht so! Wie siehst du das? Kann man das, was einen Stresst oder Angst macht, einfach so ignorieren, nach dem Motto: „Augen zu und durch?“

Nein, Angst und Unsicherheit kann man nicht ignorieren. Also zumindest ich nicht. Weder bei mir selbst noch bei anderen. Man kann sie aber vielleicht in Angriff nehmen. Dabei sind rationelle Ängste einfacher anzugehen als irrationale.

Ich hatte beispielsweise für meine große AT Wanderung folgende rationale Ängste und habe sie aktiv bearbeitet:

a) Ich verirre mich und muss im Wald überleben. Gegenmaßnahme: Karte- und Kompass- sowie GPS Schulung, 5 tägiger Survivalkurs im Wald.

b) Ich verletze mich und kann über Telefon keine Hilfe rufen (kein Empfang). Gegenmaßnahme: Outdoor-Erste-Hilfe-Kurse und Beschaffung eines Personal Locator Beacons (mit GPS Rettungs-Notfall-Knopf).

c) Ich habe nicht die Skills, über längere Zeit draußen zu leben. Gegenmaßnahme: Trekking Guide Ausbildung bei einer Wildnisschule.

Schwieriger wird es dann schon bei irrationalen Ängsten. Ich fürchte mich beispielsweise vor Spinnen. In Ermangelung einer besseren Idee habe ich beschlossen, dass es keine Spinnen im Wald gibt! Sollte mir doch mal eine über den Weg laufen, dann hat sie sich einfach dorthin verirrt. Jawohl! Das funktioniert jetzt schon seit einigen Jahren ganz gut. 😀 

Beim letzten Quäntchen Angst muss man dann vielleicht doch mit der „Augen-zu-und-durch-Methode“ arbeiten. Meist stellt sich dann heraus, dass es gar nicht so schlimm ist, wie man dachte.

 

Mutig sein, sich was zu trauen, das kennen wir ja alle aus anderen Lebensbereichen. Stichwort „Komfortzone“. Was ist deine Taktik, dich da heraus zu wagen?

Meine Antworten bei den anderen Fragen zeigen schon die Richtung an. Einerseits stelle ich mir die Situation vor, mein Ziel erreicht zu haben, visuell und emotional. Ich fühle also wie es ist, sowas Irres geschafft zu haben. Ängste dazu benenne ich und gehe sie an. Das schaffe ich, solange damit keine Existenzängste verbunden sind. Das ist dann auch meine Grenze.

 

Birgit, womit könnte ich dich, zusammen mit mir auf einen Klettersteig locken?“ 

Ja, da müssten wir halt einen Termin vereinbaren, oder besser gleich zwei Termine. Beim einen darf ich mir was wünschen und bei dem anderen Du. Ich würde gerne mit Dir auf der Alpspitz Ferrata klettern. Und welchen Klettersteig würdest Du gerne mit mir machen?

 

Birgit, da brauchts einen Klettersteig, wo wir anschließend gleich am Gipfel übernachten können. \o/

Liebe Leser, vielleicht kannst du uns einen (Kletter-) Steig mit Gipfelaussicht und Übernachtungsmöglichkeit empfehen? Aber nur Cowboy-Camping.?  Bitte schreibe eine Nachricht in den Kommentarbereich, weiter unten. Ich freu mich drauf!